Erstellung eines Schwingungsanalysesystems für den Rennmotor eines Aston Martin mit NI LabVIEW und NI CompactRIO

„Das auf CompactRIO basierende Messsystem von Aston Martin Racing ist nicht nur zuverlässig und hochpräzise, es wurde auch zu erheblich geringeren Kosten eingesetzt als andere am Markt verfügbaren Systeme mit festgelegter Funktionalität.“

- Paul Riley, Computer Controlled Solutions Ltd

Die Aufgabe:

Entwicklung und Verbesserung der mechanischen, elektronischen und Softwaresysteme eines Fahrzeugs durch Erfassen genauer Live-Messungen, um einen überragenden Straßenmotor in einen in seiner Klasse führenden Rennmotor zu verwandeln und erfolgreich am weltweit anspruchsvollsten Sportwagenrennen teilzunehmen, dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans

Die Lösung:

Einsatz der Systemdesignsoftware LabVIEW und der Hardware CompactRIO zur Erstellung des Mobile-Daquire-Geräts, welches eine Erfassung mit einer Auflösung von 25 ns und Analysen der Resonanzen wichtiger Motor- und Antriebsstrangkomponenten ermöglicht, die zur präzisen Untersuchung von Schwingungen über den gesamten Drehzahlbereich des Motors vollständig mit einer Vielzahl unterschiedlicher Messungen synchronisiert werden können

So wie der Adrenalinstoß eines Rennens auf den Strecken von Le Mans oder Sebring eine gemütliche Fahrt auf einer Landstraße bei weitem übertrifft, ist dabei auch die erforderliche Leistung des Motors unvergleichbar. Die durchschnittlichen Drehzahlbereiche verdeutlichen den Unterschied hinsichtlich Motorauslastung zwischen Rennstrecken und öffentlichen Straßen. Ein handelsüblicher Aston Martin in Luxusausführung läuft 90 Prozent der Zeit unter 3.000 U/min, wenn das Gaspedal zu 20 Prozent betätigt wird. Sein für Rennen ausgelegtes Pendant hingegen läuft 90 Prozent der Zeit zwischen 5500 und 7500 U/min und 70 Prozent des Rennens mit Vollgas. Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans muss der Motor 5000 km dieser hohen Beanspruchung standhalten.

 

Aston Martin Racing

Aston Martin Racing (AMR) nimmt seit 2005 am Rennen von Le Mans mit dem Rennwagen DBR9 mit V12-Motor teil, der die Rennen von 2007 und 2008 gewann. Auf den DBR9 folgten der R14 und der R16, jeweils mit V12-Motor, die sich in den Jahren 2009 und 2010 als die schnellsten Benziner in der LMP1-Klasse von Le Mans erwiesen. AMR nimmt jetzt in der Klasse Grand Touring Endurance (GTE) mit dem Aston Martin V8 Vantage teil, der in der Eröffnungsrunde der GTE World Endurance Championship 2013 in Silverstone den Preis nach Hause fuhr.

 

 

 

Warum ein spezielles Erfassungssystem?

Die Standardmotoren von Aston Martin für Straßenfahrzeuge liefern den Ausgangspunkt für die Rennmotoren von AMR. Sie erfordern allerdings erhebliche Überarbeitungen, um sie hinsichtlich Leistung und Haltbarkeit in Rennmotoren von Weltklasse zu verwandeln. Diese Umwandlung übernimmt das AMR-eigene Motorentwicklungsteam.

 

 Zur Unterstützung dieser komplexen Arbeit benötigte die AMR-Motorgruppe ein Hochgeschwindigkeitssystem für das Datenloggen, das in der Lage ist, das Torsionsverhalten der Systeme der Kurbel- und Nockenwelle zu analysieren, damit möglicherweise schädigende Resonanzen im Betriebsbereich des Motors identifiziert werden können. 

 

„Erhebliche Drehschwingungen eines beliebigen Systems des rotierenden Motors können rasch und schwerwiegend Schaden verursachen. Um sicherzustellen, dass diese Schwingungen ausgeblendet werden können, muss das Motorverhalten unbedingt gemessen und nachvollzogen werden“, so A Shaw, AMR.

 

AMR bat Computer Controlled Solutions darum, ein Messgerät zu erstellen, mit dem diese Messungen durchgeführt werden können.

 

Computergesteuerte Lösungen

Computer Controlled Solutions (CCS) ist ein NI Partner und wurde kürzlich dafür ausgezeichnet, bereits seit 20 Jahren Dienstleistungen für NI bereitzustellen. Wir bieten Prüfstände und Datenerfassungssysteme vor allem für den Automobilsport- und den Luft- und Raumfahrtsektor an. Unser Sitz ist in Warwickshire (Großbritannien), direkt im Zentrum dieser Industriezweige. Innerhalb der umfangreichen Produktpalette von National Instruments haben wir uns auf die Plattform NI CompactRIO spezialisiert. So können wir Echtzeitverarbeitungs- und anspruchsvolle FPGA-Lösungen für eine Vielzahl von Problemen bereitstellen.

 

Bei CCS blicken wir auf langjährige Erfahrung auf dem Gebiet NVH (Noise, Vibration and Harshness) zurück. Für ein vorhergehendes Projekt ersetzten wir kostspielige, ältere Messgeräte, die für eine Schwingungsanalyse an Rotorblättern von Hubschraubern mit Geschwindigkeiten bis zu 60.000 U/min eingesetzt wurden. Unsere kosteneffiziente Lösung, die auf NI-Produkten basierte, ließ sich besser erweitern und leichter warten als das ursprüngliche System mit festgelegter Funktionalität. Die aus dem Rotorblattprojekt gewonnenen NVH-Methoden bildeten eine solide Grundlage für das AMR-Mess- und -Analysesystem für Drehschwingungen.

 

Systemarchitektur

Hinter dem AMR-Messsystem steckt der echtzeitfähige Embedded-Controller CompactRIO, der mit einer FPGA-Backplane verbunden ist, die acht Steckplätze mit I/O-Modulen bietet, sodass für die Erfassung digitaler, analoger und CAN-Signale gesorgt ist. Dies verbanden wir mit einem robusten Flightcase, das auch eine einfache Frontend-Anbindung erlaubt. Da der CompactRIO-Controller nur wenig Strom benötigt, konnten wir das System und die dazugehörigen Peripheriegeräte mit einem 12-V-Netzteil bzw. der fahrzeugeigenen Batterie betreiben. Ein entscheidender Punkt war, dass wir darüber hinaus eine temporäre Notstromversorgung mit Batterien einsetzten, um die Erfassung während des Leistungsverlusts aufrechtzuerhalten, der bei Aktivieren der Zündung auftritt.

 

Nach dem Boot-Vorgang beginnt das CompactRIO-System mit der Datenerfassung, -analyse und -aufzeichnung im Headless-Betrieb. Wir integrierten einen WLAN-Router in das Flightcase, damit ein Laptop sauber mit dem CompactRIO verbunden werden kann, sodass dezentrale Konfiguration und Überwachung der Tests möglich sind. Dadurch konnte das gesamte System mit im Wagen montierten Messwandlern verbunden und von einem Laptop im Beifahrersitz aus bedient werden. Das System ließ sich ebenso mit einem Dyno-Motor verbinden und dann mit einem Laptop im Dynamotor-Beobachtungsraum konfigurieren, während Anpassungen in Echtzeit an der Motorsteuereinheit (ECU) vorgenommen wurden.

 

Wir beschleunigten die Entwicklung und die Tests des AMR-Systems mithilfe der 3D-Diagrammwerkzeuge in NI LabVIEW und dem NI Sound and Vibration Toolkit, ein LabVIEW-Zusatzpaket, das eine vorgefertigte Bibliothek mit Funktionen bereitstellt, um wichtige Messungen wie Swept-Sine-Analyse, Messungen des Frequenzgangs und Transientenanalysen durchzuführen. 

 

Unsere Lösung ermöglicht auch die Stapelverarbeitung, mit der verarbeitete Daten von LabVIEW in Formate exportiert werden, die direkt in die Datenanalysesoftware NI DIAdem sowie in Software zur Schwingungsanalyse von Drittanbietern importiert werden kann. Die dauerhafte Datenspeicherung wird mittels Streaming an den Onboard-Speicher des CompactRIO-Controllers oder an einen USB-Stick umgesetzt. 

 

 

 

Die Leistung softwaredefinierter Messtechnik

Im Vergleich zu alternativen Ansätzen auf Basis anderer Programmiersprachen und Hardware ging die NI-Lösung eindeutig als Gewinner hervor. Das auf CompactRIO basierende Messsystem von Aston Martin Racing ist nicht nur zuverlässig und hochpräzise, es wurde auch zu erheblich geringeren Kosten eingesetzt als andere am Markt verfügbaren Systeme mit festgelegter Funktionalität. Aufgrund der Merkmale von CompactRIO wie geringe Abmessungen, robuste Bauweise und hochpräzise I/O eignete sich das Produkt ideal für die Montage im Rennwagen. Das spielte beim Korrelieren der Arbeiten an der Dyno-Entwicklung mit In-Vehicle-Messungen auf der Teststrecke eine entscheidende Rolle.

 

Darüber hinaus erlaubte das NI-Konzept des Graphical System Design eine unkomplizierte und nahtlose Hardwareintegration, die dazu beitrug, dass die Entwicklungszeit nicht mehr Monate, sondern nur noch Wochen betrug. Die so entstandene Lösung vereinfachte auch die Systemwartung, sodass wir zukünftige Systeminstandhaltungen und -aktualisierungen unter Einsatz handelsüblicher Hardware für AMR zu einem attraktiven Preis abwickeln können.

 

Seit dem Einsatz des Systems konnte AMR feststellen, dass die Daten, die von der Rennstrecke und der Dynamometerplattform erhoben und analysiert wurden, konsistent waren und zuverlässig die Resonanzfrequenzen kritischer Motorkomponenten wie der Kurbelwelle genau bestimmten. AMR nutzte diese Informationen, um mechanische Anpassungen und ECU-Platzierung umzusetzen und so letztendlich die Langlebigkeit des Motors zu verbessern.

 

 

Die Zukunft unseres Systems auf der NI-Plattform

Aufgrund seiner Art bietet sich ein softwaredefiniertes Messgerät in Kombination mit modularer Hardware für endlose Erweiterungen an. Als AMR mit der Aufgabe an uns herantrat, seine Hardware anzupassen, gab die Systemerweiterbarkeit eine klare Richtung im Hinblick auf die Umsetzung einer synchronisierten Erfassung von bis zu 300 High-Speed-CAN-Kanälen vor.

 

 

Die zukünftigen Möglichkeiten für dieses System scheinen endlos. Wir freuen uns darauf, unsere Zusammenarbeit mit Aston Martin und National Instruments auszuweiten sowie weiterhin ein Wegbereiter auf dem Gebiet NVH zu sein.

 

Informationen zum Autor:

Paul Riley
Computer Controlled Solutions Ltd
F12a Holly Farm Business Park
Kenilworth CV8 1NP
Vereinigtes Königreich
Tel.: 01926 485532
Info@ccsln.com

Abbildung 1: Vorbereitungen von Aston Martin für das 2013 American Le Mans Race in Sebring
Abbildung 2: Stapelverarbeitungssoftware bietet eine Schnellansicht der Ordnungsanalyse.
Abbildung 3. Endgültige Vorbereitungen von AMR für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans (World Endurance Championship 2013)