​Die Regeln für den daten- und softwaregebundenen Workflow – Teil 2

Daniel EatonChief Field Application Engineer, Transportwesen

published

07.27.2023

Mitarbeiter, der an einem NI PXI-basierten ADAS-Datensatzmesssystem im Kofferraum eines Fahrzeugs arbeitet

​„Hallo, ich bin's wieder! Dan Eaton, Chief Field Application Engineer bei NI. Ich arbeite seit 2005 im Ingenieurwesen – also seit mehr als 17 Jahren – und befasse mich seit etwa fünf Jahren mit Themen rund um fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver-Assistance Systems, ADAS) und autonomes Fahren (Autonomous Driving, AD). In meiner Funktion arbeite ich eng mit unseren Kunden aus der Automobilindustrie zusammen, insbesondere mit großen globalen OEMs. In diesem zweiten Teil einer Reihe von Artikeln werde ich weiterhin die von mir gesammelten Einsichten und Erfahrungen teilen, damit andere bewährte Methoden anwenden und Fallstricke durch gewonnene Erkenntnisse vermeiden können. Nun, lassen Sie uns direkt loslegen und dort fortfahren, wo wir beim letzten Mal aufgehört haben.“

Laden von Elektrofahrzeugen

In den entsprechenden Artikeln der aktuellen Ausgabe des NI Automotive Journal erfahren Sie mehr über die neuesten Testtrends und Innovationen in der Automobilindustrie.

Straßentests und Datenaufzeichnung (Fortsetzung)

In der letzten Ausgabe (Automotive Journal 2023 Volume 1) haben wir uns bereits mit dem Datendurchsatz und der Synchronisierung für externe Protokollierroutinen befasst. Heute werden wir uns weiter mit dem softwaregebundenen Workflow (siehe Abbildung 1) und der dritten offensichtlichen Spezifikation für die Aufzeichnung von ADAS/AD-Daten befassen: Datenspeicher.

 

End-to-End-Workflow und Datenfluss für die AD-Validierung

Abbildung 1: End-to-End-Workflow und Datenfluss für die AD-Validierung

Datenspeicher für die Aufzeichnung von ADAS- und AD-Daten

Im ersten Artikel haben wir festgestellt, dass die Datenmenge, die pro Fahrzeug erfasst und gespeichert werden muss, leicht Hunderte von Terabyte pro Tag erreichen kann. Denken Sie daran, dass eine Festplatte für die kontinuierliche Aufzeichnung von acht Stunden möglicherweise eine Speicherkapazität von bis zu 144 TB aufweisen muss (5 GB/s × 3600 s/Stunde × 8 Stunden). Diese Anforderung bedeutet, dass ein fahrzeugeigener Speicher mit hohem Durchsatz (Schreibgeschwindigkeit) und großer Kapazität unabdingbar ist. Aber die Herausforderung endet nicht damit, dass die Daten erfasst und auf einem Speichergerät im Fahrzeug gespeichert werden – vielmehr beginnt sie hier erst. Wie können Sie diese Datensätze schnell entladen oder auslagern? Wie laden Sie diese riesigen Datenmengen sicher in Ihre Cloud oder IT-Infrastruktur hoch, um sie dem Labor sicher bereitzustellen, wo die Daten für das eigentliche Training und die Validierung von Algorithmen verwendet werden? Wie geht das mit einer Flotte von über 100 Fahrzeugen auf der ganzen Welt – von gut angebundenen Metropolen über ländliche Gebiete bis hin zu Regionen im Niemandsland? Ich habe erlebt, wie Unternehmen mit diesen Fragen zu kämpfen hatten. Sehen wir uns diese Themen nacheinander an. Beginnen wir mit dem ersten Schritt – der reinen fahrzeugeigenen Speicherkapazität.

Man könnte meinen, es würde reichen, einfach ein paar SSD-Laufwerke mit einer Kapazität von 100 Terabyte oder mehr zu kaufen. Vielleicht trifft diese Aussage zu, wenn Sie in einer gut regulierten IT-Umgebung arbeiten. Wenn wir jedoch über den Betrieb von IT- oder serverfähigen Geräten in einem Fahrzeug sprechen, wird es schwieriger. Mehrere Faktoren verschärfen die Herausforderungen, die den Einsatz von IT-Speichersystemen in einem Fahrzeug erschweren oder unmöglich machen. Als Erstes fallen mir folgende Herausforderungen ein: Versorgungsspannung (normalerweise 12 V DC), Temperaturbereich, Luftfeuchtigkeit, Abmessungen, Stromverbrauch, mechanische Widerstandsfähigkeit (Stöße und Vibrationen) und so weiter. Verstehen Sie mich nicht falsch – Sie werden IT-Speichergeräte finden, die einige dieser Kriterien erfüllen, aber alle in einem Gerät – das ist wirklich die große Herausforderung.

Dies führt häufig dazu, dass kleinere, nicht für die IT geeignete Speichergeräte wie tragbare Erweiterungslaufwerke verwendet werden. Geeignete Kapazitäten von bis zu 20 Terabyte und mehr sind auf dem Markt zu finden – normalerweise mit USB 3.x- oder möglicherweise Thunderbolt™-Anschlüssen. Diese Laufwerke bieten Plug-and-play-Konnektivität, können jedoch keinen dauerhaften Datendurchsatz von mehreren Gigabyte pro Sekunde bewältigen. Auch wenn diese tragbaren Erweiterungslaufwerke hinsichtlich der Kapazität und bei geringeren Datenübertragungsraten ausreichen, wird oft vergessen, dass diese Laufwerke nicht für eine intensive und häufige Lese- und Schreibnutzung ausgelegt sind. Dieser Fehler kann schnell zu Qualitätsproblemen und zur Abnutzung Ihres Datenspeichers führen. Nichts ist ärgerlicher bzw. ein größerer Kostentreiber als wenn Sie mehrere Stunden auf der Straße Daten aufzeichnen und dann ganz ohne Daten zurückzukehren, ganz zu schweigen von nützlichen und relevanten Daten. Für diese Anwendungen müssen Kompromisse gefunden werden, was bedeutet, dass die IT-Welt und die Welt der Protokollierung im Automobilbau näher zusammenrücken müssen.

Auf NI PXI basierendes ADAS-Protokollierungssystem mit Seagate Lyve Mobile Array-Speicher im Kofferraum eines Fahrzeugs

NI hat sich mit Seagate zusammengetan, um die hier erwähnten Herausforderungen im Festplatten-Workflow zu bewältigen. Seagate bietet mit seinen Lyve Mobile Array-Laufwerken SSD-Speichermedien mit bis zu 92 TB (zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments) und einer Schreibgeschwindigkeit von mehr als 5 GB/s an. Diese Laufwerke verwenden die standardmäßige RAID-Technologie (Redundant Array of Independent Disks) und bieten Hot-Swap-Funktionalität. Bei einer direkten Verbindung mit dem PCI-Express-Bus über eine kabelgebundene PCI-Express-Karte der 3. Generation kann der erforderliche Datendurchsatz gewährleistet werden. Wenn noch mehr Datendurchsatz oder Speicherplatz benötigt wird, können ein weiteres kabelgebundenes PCI-Express-Gerät der 3. Generation und ein Lyve Mobile Array hinzugefügt werden, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

Auslagern von ADAS- und AD-Protokollierungsdaten

Nun, da wir uns mit dem ersten Schritt für die Speicherung im Fahrzeug mit Fokus auf Kapazität und dem bereits erwähnten Datendurchsatz befasst haben, sehen wir uns nun an, wie Sie Daten aus dem Fahrzeug – genauer gesagt aus der Fahrzeugflotte – entladen oder auslagern (Abbildung 2). Spontan fallen mir dazu drei mögliche Ansätze ein. Der erste ist die drahtlose oder mobile Datenübertragung, der zweite ist eine kabelgebundene Verbindung, nachdem das Fahrzeug wieder in eine Werkstatt zurückgekehrt ist, und beim dritten Ansatz werden die Speichergeräte oder Laufwerke aus dem Fahrzeug ausgebaut.

Abbildung 2: Die Herausforderung hinsichtlich des ADAS- und AD-Datenlebenszyklus für Fahrzeuge mit SAE-Level 2+ und höher

Eine drahtlose oder mobile Datenübertragung wäre zu bevorzugen, da sie jederzeit und überall einen Zugriff auf die Daten ermöglicht. Aber seien wir realistisch: Die mobile Datenabdeckung ist weltweit sehr unterschiedlich. Darüber hinaus können diese riesigen Datenmengen – es geht dabei um einen Bereich von mehreren Gigabyte pro Sekunde – selbst von Netzwerken mit 5G oder 6G nicht verarbeitet werden. Für den Großteil der protokollierten Daten sind Mobilfunknetze unpraktisch. Auch wenn es Nischen gibt, wie beispielsweise die Übertragung eines einzelnen Eck- oder Randszenarios an Ihr Labor, wo es dringend benötigt wird, sollten wir ehrlich sein: Die mobile oder drahtlose Datenübertragung ist wirklich keine praktikable Option.

Die nächste Station ist die kabelgebundene Datenübertragung – ähnlich dem Laden unserer Elektrofahrzeuge. (Ist es nicht großartig, welche Fortschritte wir bereits hinsichtlich der Verkürzung der Ladezeit unserer Fahrzeuge gemacht haben?) Es überrascht nicht, dass auch beim Auslagern aufgezeichneter Daten von Ihrem ADAS, insbesondere von Kamerasystemen, Zeit der entscheidende Faktor ist. 

Rechnen wir noch einmal mit 144 TB pro Fahrzeug und einer 100-Gbit-Ethernet-Schnittstelle (theoretisch 12,5 GB/s) für die Auslagerung. Es wird schnell deutlich, dass das Aufladen unseres protokollierenden Fahrzeugs das kleinere Problem sein wird, da die Übertragung dieser Datenmenge locker mehr als drei Stunden dauern wird (144 × 1024 GB / 12,5 GB/s ≈ 3 Stunden, 16 Minuten). Die Auslagerung über Nacht kann eine praktikable Option sein. Dieser Vorgang muss jedoch mit einem integrierten Speichergerät kombiniert werden, das Protokollierungskampagnen mit bis zu 150 TB pro Tag verarbeiten kann.

Schließlich sollte noch der Ausbau der Speichergeräte aus dem Fahrzeug erwogen werden. Wie bereits erwähnt (siehe Automotive Journal 2023, Volume 1), kommt ein USB-Laufwerk allein aufgrund der begrenzten Speicherkapazität sowie anderer Faktoren, die weiter oben im Abschnitt zu tragbaren Erweiterungslaufwerken beschrieben wurden, nicht in Frage. Was ist abgesehen von diesen Kriterien bei der physischen Auslagerung noch zu beachten? Betrachten wir die folgenden drei Bereiche genauer:

  • Benutzerfreundlichkeit – Der Fahrer muss in der Lage sein, die Speichermedien leicht auszutauschen (Ausbau des ganzen Laufwerks aus dem Fahrzeug und Einbau eines leeren Laufwerks in das Fahrzeug), damit dieser Vorgang schnell und ohne umfassendes technisches Know-how abgeschlossen werden kann.

  • Beim Ein- und Ausbau von Elektronik besteht oft die Gefahr, dass die Anschlüsse abgenutzt werden. Robuste mechanische Konfigurationen sind eine weitere Voraussetzung für die Lebensdauer und Verfügbarkeit einer Protokollierungslösung. Dies sollte nicht durch eine geringe Anzahl möglicher Steckzyklen (Anschließen/Abziehen) eingeschränkt werden, und selbstverständlich geht mechanische Robustheit mit einfacher Handhabung einher. Sie möchten sicherstellen, dass das Ein- und Ausbauen des Speichers aufgrund einer unsachgemäßen Verwendung oder Handhabung nicht zu einer weiteren Fehlerquelle durch Beschädigung der Datenübertragungs- oder der Stromversorgungsanschlüsse wird. (Denken Sie daran, dass es sich um RAID-Systeme handelt.)

  • Wie bringen Sie diese ausgelagerten Laufwerke zu einer Datenerfassungsstation, einem Rechenzentrum oder direkt in Ihr Validierungslabor, um die Daten tatsächlich zu kopieren? Vergessen Sie nicht, dass Sie außerdem leere Speichergeräte bereithalten müssen, um mit der Protokollierung fortfahren zu können, wo immer Ihre Fahrzeugflotte im Einsatz ist! 

Plötzlich ist die Herausforderung der Datenlogistik nicht mehr nur auf die digitale Welt beschränkt, sondern wird auch in der physischen Welt zu einer Herausforderung, da die Hardware weltweit versandt werden muss. In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie wichtig die Datensicherheit ist, denn niemand möchte, dass diese wertvollen Ressourcen – die nun in der physischen Welt unterwegs sind – der Gefahr einer Datenmanipulation oder gar eines Datendiebstahls ausgesetzt werden. Datenverschlüsselung und Schlüsselverwaltung sind wichtige Themen, die Sie in die Strategie und Implementierung Ihrer Daten-Pipeline integrieren sollten.

Damit endet der Artikel über bewährte Methoden und gewonnene Erkenntnisse bei der Implementierung des daten- und softwaregebundenen Workflows. Dan wird seine Erkenntnisse auch in den nächsten Ausgaben des Automotive Journal weitergeben. NI hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen mit einer Reihe von Software- und Hardwarelösungen in die Lage zu versetzen, einen daten- und softwaregebundenen Workflow zu implementieren (Abbildung 3). NI möchte seinen Kunden und Partnern helfen, die Entwicklung zu beschleunigen und Tests zu einem strategischen Vorteil zu machen, der zu einer höheren Produktleistung führt.

Abbildung 3: Das Lösungsportfolio von NI für den daten- und softwaregebundenen ADAS/AD-Validierungs-Workflow