Adam Hartzell, Lightning Hybrid
Erstellen eines Systems zur Nachrüstung neuer und vorhandener Kraftfahrzeuge eines Fuhrparks, um Emissionen und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren
Entwickeln eines hydraulischen Hybridsystems mit dem NI System on Module (SOM), um ansonsten ungenutzte Bremsenergie hydraulisch als Hydraulikdruck zu speichern, welcher zur Beschleunigung des Fahrzeugs wiederverwendet werden kann
Mittelschwere und schwere Flottenfahrzeuge machen ca. vier Prozent der heute am Verkehr teilnehmenden Kraftfahrzeuge aus. Allerdings verbrauchen sie 40 Prozent des in städtischen Gebieten genutzten Kraftstoffs. Lightning Hybrids hat ein patentiertes hydraulisches Hybridsystem entwickelt, mit dem neue oder vorhandene Fahrzeuge eines Fuhrparks, z. B. Shuttle-Busse und Lieferwagen, nachgerüstet werden können, um den Kraftstoffverbrauch um 20 Prozent und den Ausstoß von Stickoxiden (dem Hauptbestandteil von Smog) um bis zu 50 Prozent zu senken. Unser System stellt ein neues Verfahren für Fuhrparkbetreiber bereit, mit dem sich Kraftstoffkosten, Brems- und Motorverschleiß sowie die Umweltverschmutzung reduzieren lassen. Beim Energy Recovery System (ERS) von Lightning Hybrids wird die Software LabVIEW zusammen mit einem SOM für die Steuerung verwendet. Die NI-Plattform war von Anfang an ein Schlüssel zum Erfolg von Lightning Hybrids. Für die Entwicklung der Technologie wurden verschiedene Versionen der CompactRIO- und Single-Board-RIO-Module sowohl innerhalb als auch außerhalb der Fahrzeuge eingesetzt.
Das ERS verwendet Hochdruck-Hydraulikflüssigkeit zur Speicherung von Energie, die ansonsten während des Bremsvorgangs ungenutzt als Wärme verloren gehen würde. Es umfasst die nachfolgend aufgeführten Teilsysteme:
• Hydraulikpumpe/-motor: Umwandlung kinetischer Energie des Fahrzeugs in Hydraulikenergie und anschließende Rückumwandlung
• Modul zur Leistungsübertragung (PTM): Mechanische Schnittstelle zwischen Hydraulikmotor und Antriebsstrang des Fahrzeugs, die eine Untersetzung und ein Kupplungspaket umfasst
• Hydrospeicher: „Hydraulische Akkus“, die Energie über mit Stickstoff gefüllte Blasen als Hochdruck-Hydraulikflüssigkeit speichern
o Hochdruck: Der Hochdruckspeicher bietet einen Arbeitsdruck von bis zu 6000 PSI.
o Niederdruck: Der Niederdruckspeicher bietet einen Arbeitsdruck von bis zu 300 PSI.
• Hydraulikblock: Ein Ventilkörper, der als Schnittstelle zwischen den Hydraulikmotoren und -speichern fungiert. Er ist mit mehreren elektrischen Hydraulikventilen bestückt, die den Umfang und die Richtung der Durchflussmenge steuern.
• Controller: Dient der Steuerung aller Bereiche des ERS
o Betätigen der hydraulischen und pneumatischen Ventile
o Schnittstelle zum Fahrzeug über CAN für das Senden und Empfangen von Nachrichten
o Aufzeichnung von Daten zur Verwendung in einem Telematiksystem und Übertragung der Daten an Server
o Bereitstellung einer Schnittstelle zu einer Benutzeroberfläche für die Fehlerbehandlung und Entwicklung über ein drahtloses Netzwerk im Fahrzeug
o Überwachung der Systemleistung und Gewährleistung eines sicheren Betriebs
Bei der Installation wird das ERS unter dem Fahrzeug angebracht und in die Antriebswelle zwischen dem Getriebe und dem Differenzial integriert. Der Rahmenaufbau ist modular, sodass das ERS mit nur minimalem Aufwand bzw. minimalen Änderungen am Kraftfahrzeug schnell nachträglich in die meisten mittelschweren und schweren Fahrzeuge eingebaut werden kann. Das Modul zur Leistungsübertragung und der Hydraulikblock werden zwischen den Rahmenträgern befestigt. Die Anbringung der Speicher erfolgt dort, wo Platz verfügbar ist. Mithilfe von Hochdruck-Hydraulikleitungen werden die Speicher mit dem Block verbunden. Ein anwenderspezifischer Kabelbaum wird in die Fahrerkabine verlegt und ermöglicht eine zügige Integration in den Kabelbaum des Fahrzeugs. Das System ist so konzipiert, dass es sich leicht installieren lässt. In der Regel kann ein neues System für ein Fahrzeug in weniger als einem Tag in Betrieb genommen werden, sodass die Ausfallzeit für den Fuhrpark begrenzt ist.
Eine wichtige Komponente des ERS ist der Hochdruckspeicher. Hydrospeicher, die in der Regel aus Stahl gefertigt werden, gibt es bereits seit Jahrzehnten. Herkömmliche Speicher sind jedoch keine gute Wahl für mobile Anwendungen, da sich ihr hohes Gewicht auf die Nutzlast des Fahrzeugs auswirkt und sie die Verbrauchsvorteile des Hybridsystems stark schmälern. Lightning Hybrids verwendet deshalb einen Speicher, der aus einem mit Kohle- und Glasfaser umwickelten Aluminiumgehäuse besteht. Durch diese Konstruktion wird das Gewicht des Speichers erheblich verringert. Es ist jedoch weiterhin ein hoher Arbeitsdruck möglich. Im Speichergehäuse befindet sich eine mit Stickstoff gefüllte Blase, die als Gasfeder fungiert. Bei Eintritt der inkompressiblen Hydraulikflüssigkeit in den Speicher wird der Stickstoff in der Blase durch die Flüssigkeit komprimiert, wodurch Energie gespeichert wird.
Die ERS-Steueranwendung verfügt über drei Betriebsmodi:
• Hydraulic Idle: Das ERS ist inaktiv, da kein Befehl zum Bremsen bzw. Beschleunigen vorliegt oder der erforderliche Hydraulikdruck nicht gegeben ist.
• Hydraulic Braking: Der Fahrer verlangsamt das Fahrzeug. Nach Betätigung der entsprechenden Ventile wendet das ERS ein Drehmoment auf die Antriebswelle an, um eine Beschleunigung entgegen der Fahrtrichtung herbeizuführen. Der Vorgang der Verlangsamung des Fahrzeugs wird zum Druckaufbau eingesetzt. Die Hydraulikmotoren bewegen Flüssigkeit vom niedrigen zum hohen Druck, damit dieser zu einem späteren Zeitpunkt zur Beschleunigung des Fahrzeugs verwendet werden kann. Die Betriebsbremsen werden nur für Vollbremsungen, die Antriebsschlupfregelung oder andere atypische Bremsanforderungen benötigt.
• Hydraulic Accelerating: Der Fahrer beschleunigt das Fahrzeug. Nach Betätigung der entsprechenden Ventile werden die Hydraulikmotoren durch eine Hochdruck-Hydraulikflüssigkeit in Rotation versetzt, um das Fahrzeug zu beschleunigen. Das verfügbare Hybriddrehmoment wird berechnet und eingesetzt, um die an den Motor gesendete Drosselklappenstellung zu verringern und so den Kraftstoffverbrauch, die Emissionen und den Motorverschleiß zu reduzieren. Unter bestimmten Bedingungen kann das ERS bis zu 100 Prozent des Drehmoments für die Beschleunigung des Fahrzeugs liefern, ohne dass eine Motorleistung erforderlich ist.
Hard- und Software von NI spielt bereits seit den Anfängen von Lightning Hybrids eine wichtige Rolle. Nach ersten Experimenten legten wir den Schwerpunkt schnell auf eine CompactRIO-Lösung. Unser erster NI-Controller war ein cRIO-9024 mit acht Steckplätzen. Er kam bei der internen Prototypenerstellung und ersten Pilotsystemen im Feld zum Einsatz. Anschließend stiegen wir auf einen cRIO-9075 mit vier Steckplätzen als Controller der zweiten Generation um. Mit den CompactRIO-Controllern erstellten wir umgehend Prototypen des Systems. CompactRIO ist flexibel genug, um rasche Änderungen am Prototyp vorzunehmen und dabei auch robust genug für den Einsatz im Fahrzeug unter realen Nutzungsbedingungen.
Unser Controller der dritten Generation verwendet ein sbRIO-9626 sowie eine anwenderspezifische Tochterkarte. Single-Board RIO stellte sich als ausgezeichnete Option für uns heraus. Damit konnten wir den Programmcode des Prototyps mit nur minimalen Änderungen auf einen anderen, kosteneffizienteren Controller übertragen. Es wurden etwa 100 dieser Controller in Hybridsystemen verbaut und sie waren Teil unserer ersten kommerziellen Großbestellung. Single-Board RIO ermöglichte uns die Umstellung auf einen Controller, der sich für die Massenproduktion eignet.
2016 stiegen wir auf unseren Controller der vierten Generation um. Bei der neuen Version kommt ein NI SOM zusammen mit einer anwenderspezifischen Tochterkarte zum Einsatz. Mithilfe des SOM konnten wir im Vergleich zur Single-Board-RIO-Lösung die Kosten unseres Controllers um fast 60 Prozent reduzieren und dabei gleichzeitig die FPGA- und Echtzeitverarbeitungsleistung bedeutend steigern. Außerdem stiegen wir von VxWorks auf NI Linux Real-Time um, um die Sicherheit zu verbessern und eine dezentrale Update-Funktion zu implementieren. Die Fahrzeuge lassen sich während des Einsatzes aktualisieren, ohne dass Personal vor Ort sein muss oder Ausfallzeiten für den Fahrer entstehen. Dadurch wird sichergestellt, dass die Fahrzeuge Software-Updates bereits innerhalb eines Tages statt erst nach Wochen oder Monaten erhalten.
Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem SOM gemacht. NI hat uns sowohl beim Entwurf der Tochterkarte als auch bei den wenigen kleineren Herausforderungen während der Entwicklung unterstützt. Wir konnten unsere Codebasis schnell auf den SOM übertragen, da das NI-Ökosystem sehr benutzerfreundlich ist. So war einer unserer Ingenieure in der Lage, innerhalb von zwei Wochen die Codebasis für den Einsatz mit dem SOM zu modifizieren, während gleichzeitig die Abwärtskompatibilität zu Single-Board RIO gewahrt wurde. Die zusätzliche Verarbeitungsleistung des SOM ermöglichte uns die Implementierung neuer Funktionen und Algorithmen in unsere Software, sodass die Menge eingesparten Kraftstoffs weiter erhöht werden konnte.
Lightning Hybrids wird weiterhin den Schwerpunkt auf die Effizienzverbesserung und Emissionsverringerung legen. Der Einsatz von NI-Hard- und -Software wird zu diesen fortlaufenden Verbesserungen beitragen.
Adam Hartzell
Lightning Hybrid
Tel.: 1-800-223-0740
ahartcell@lightninghybrids.com
Abbildung 5: Der V3-ERS-Controller umfasst eine anwenderspezifische Tochterkarte und ein sbRIO-9626.
Abbildung 6: Der V4-ERS-Controller beinhaltet eine anwenderspezifische Tochterkarte und ein NI System on Module.