Dipl.-Ing. Enrico Noack, Airbus Defence and Space
Im April 2017 startete eine Forschungsrakete im schwedischen Kiruna zu einem Flug bis etwa 700 km Höhe, um dann für zwölf Minuten Experimente bei Mikrogravitation durchzuführen.
Die von den Experimenten übermittelten Daten wurden zur Bodenstation übertragen und dort über OPC UA an die unterschiedlichen Abnehmer der Daten verteilt. Eine generische Software stand für die einfache Visualisierung ebenso zur Verfügung wie eine einfach zu nutzende API für den Zugriff auf die Daten.
Dipl.-Ing. Enrico Noack - Airbus Defence and Space
Johannes-Max Bergel - A.M.S. Software GmbH
Im April 2017 startete eine Forschungsrakete im schwedischen Kiruna zu einem Flug bis etwa 700 km Höhe, um dann für zwölf Minuten Experimente bei Mikrogravitation durchzuführen. Die von den Experimenten übermittelten Daten wurden zur Bodenstation übertragen und dort über OPC UA an die unterschiedlichen Abnehmer der Daten verteilt. Eine generische Software stand für die einfache Visualisierung ebenso zur Verfügung wie eine einfach zu nutzende API für den Zugriff auf die Daten. Damit konnten die Forschergruppen maßgeschneiderte Visualisierungen für ihre Experimente nutzen.
Airbus stellt für Forschungsprojekte Raketen zur Durchführung von Mikrogravitations-Experimenten zur Verfügung. Diese Raketen erreichen Höhen (Apogäum) von rund 260 km (TEXUS) bzw. 700 km (MAXUS), was bis zu zwölf Minuten Experimentierzeit in Schwerelosigkeit ermöglicht. Im April 2017 startete die MAXUS-9 mit fünf Experimenten an Bord. Während des Flugs wurden diverse Eingriffe in die Experimente durchgeführt. Hierzu war die Anzeige der Momentanwerte notwendig.
Bei zweien der Experimente kam eine neue Technologie zur Datenverteilung und Datenanzeige zum Einsatz. Die verwendete Technologie war OPC UA in Kombination mit LabVIEW-Anzeigen.
Bild 2 zeigt am Beispiel der MAXUS-9 (gestartet am 07.04.2017) das prinzipielle Datensystem (Video, Telemetrie und Telekommandos) für die TEXUS/MAXUS-Höhenforschungsraketen. Pro Rakete werden drei bis fünf Experimente in den Weltraum geschossen und für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Minuten der Schwerelosigkeit ausgesetzt.
Jedes Experiment wird von einem Forscherteam betreut und durchgeführt. Deshalb besitzt jedes Experiment am Boden eine separate Steuerungs- und Überwachungseinheit. Die Experimente liefern zum einen sogenannte Housekeeping-Daten (z. B. Batteriespannung, Temperatur) und zum anderen die wissenschaftlichen Daten. Die Housekeeping-Daten sind bei den verschiedenen Experimenten meist sehr ähnlich. Die wissenschaftlichen Daten variieren von Experiment zu Experiment sehr stark, und das sowohl in der Akquisitionsrate (5 Hz bis 4 kHz) als auch in den Datentypen.
Im bisherigen Datensystem können die analogen Messdaten von einem Experiment (Housekeeping- und wissenschaftliche Daten) auf ein Display gespielt werden, das ein vordefiniertes Layout besitzt. Durch eine Konfigurationsdatei können die vordefinierten Felder mit den jeweiligen Messwerten belegt werden. Digitale Daten, wie sie heute vermehrt auftreten, können nur mit hohem Aufwand und teilweise auch gar nicht auf den Displays untergebracht werden.
Durch die steigende Komplexität der Experimente und durch die voranschreitende Digitalisierung sind die folgenden neuen Anforderungen an das Datensystem aufgetreten:
1) Die Gestaltung der Bodenanzeigen muss für jedes Experiment individuell sein. Nur so können sowohl Ingenieure als auch Wissenschaftler den Überblick über die Experimentalanlagen und den Experimentablauf behalten.
(2) Die Daten müssen auf verschiedene Anzeigen verteilbar sein. So ist es zum Beispiel sinnvoll, die Housekeeping-Daten auf einer Anzeige anzuzeigen, die von den Ingenieuren überwacht wird, und die wissenschaftlichen Daten entsprechend auf Monitoren, die den Wissenschaftlern zur Verfügung stehen.
(3) Analoge Messdaten und digitale Daten müssen leicht in jede Anzeige integrierbar sein, auch in grafischer Form.
(4) Es sollte möglich sein, aus den analogen und digitalen Daten nutzerspezifische Werte abzuleiten und anzuzeigen (z. B. Leistungsberechnung aus Spannung und Strom).
(5) Mehr Flexibilität in der bestehenden Grenzwertüberwachung
LabVIEW kam bereits vorher bei den Experimenten als Software zur Datenerfassung und Verarbeitung zum Einsatz . Deshalb war LabVIEW bekannt, insbesondere die Funktionen zur Erstellung von Anzeigen. Aus diesem Grund wurde entschieden, LabVIEW als Anzeigewerkzeug zu verwenden. Dazu musste jetzt ein Framework entwickelt werden, das Daten in generalisierter Form an die verschiedenen Anzeigen weitergeben kann. Dieses Framework soll im Folgenden dargestellt werden.
Displays sind im Kontext dieses Projekts Einheiten, die bestimmte Prozessgrößen (Telemetriedaten) des Experiments darstellen (sie sind auch das HMI und zur o. a. Steuerung erforderlich). LabVIEW-based Displays bezeichnet einen neuen Ansatz, diese Displays effizient an die jeweiligen Bedürfnisse der Anwender anzupassen.
Die Displays zeigen Daten des Data Transport Server an, welcher diese von der fliegenden Forschungsrakete seinerseits über einen Telemetrie-Server erhält. Die einzelnen Messgrößen werden dabei in Form von Items des OPC UA Server publiziert. Damit können beliebige Clients auf diese Daten zugreifen.
Mit Hilfe von LabVIEW und einer im Rahmen des Projekts entwickelten Bibliothek ist es möglich, ohne Programmierkenntnisse ansprechende Oberflächen zur Visualisierung diverser Daten zu entwickeln (LabVIEW als Bedienoberflächen-Designer). Dabei erfolgt die Verbindung von Oberflächenelementen mit Prozessgrößen durch die Benennung der Oberflächenelemente. Über diese Namensgebung ist es möglich, die entsprechenden Items des OPC UA Server zu abonnieren und entsprechend in der Oberfläche zu aktualisieren. Diese Aufgabe übernimmt ein parallel laufender Prozess, der als Bibliotheksfunktion zur Verfügung steht.
Bei Graphen ist die Situation durch die Darstellung mehrerer Kurven etwas komplizierter: Hier werden die Namen der Prozessvariablen in der Beschreibung (Description) des Graphen in Textform abgelegt. Um die Namen der verfügbaren Items schnell ermitteln und via Clipboard in die Konfiguration der Oberflächenelemente übernehmen zu können, wurde ein spezieller Item Browser implementiert.
Nachdem alle Oberflächenelemente passend konfiguriert waren, konnte das dadurch entstandene Programm kompiliert werden und stand dann als Executable zur Verfügung.
Mit Hilfe der LabVIEW-based Displays und OPC UA konnten die Daten effizient auf einer Vielzahl individuell angepasster Anzeigeeinheiten dargestellt werden. Für die Forschergruppen konnten ohne Programmierkenntnisse, aber mit der vollen Flexibilität von LabVIEW als User Interface Designer, maßgeschneiderte Visualisierungsoberflächen direkt im Hause Airbus erstellt werden. Das Konzept hat sich im Flug bewährt und die Rückmeldungen der Anwender waren durchwegs positiv. Für die künftigen Versionen von LabVIEW-based Displays ist geplant, Daten auch in Gegenrichtung, also zum Steuern bestimmter Experimentfunktionen, zu verwenden. Außerdem könnte man sich bei geeigneter Übertragungsstrecke vorstellen, die Telemetriedaten direkt via OPC UA im Experiment zu publizieren und vom Boden aus auf diese Daten zuzugreifen.
Dipl.-Ing. Enrico Noack
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